29. September 2021

Sechster Bericht der Landesregierung zur Umsetzung des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes nach § 7 Abs. 9 des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes (HGlG)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich verwende jetzt keine Redezeit für Entgegnungen auf den Beitrag von Frau Papst-Dippel. Sonst sind die fünf Minuten vorbei, nur weil ich mich über dieses Frauenbild aufrege, das heute hier immer noch gestellt wird und das definitiv ins letzte Jahrhundert gehört.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vereinzelt SPD und DIE LINKE)

Uns liegt der sechste Bericht zur Umsetzung des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes vor. Eines möchte ich gleich zu Beginn sagen: Auch wenn sich in den letzten Jahren viel bewegt hat, zufrieden zurücklehnen können wir uns nicht. Die Chancengleichheit von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst ist noch lange nicht in allen Bereichen und auf allen Ebenen erreicht. Obwohl die Gleichstellung mittlerweile eine Selbstverständlichkeit sein sollte, sieht die Wirklichkeit immer noch anders aus. Frauen in Führungspositionen sind vielfach unterrepräsentiert, und das, obwohl insgesamt mehr Frauen im Landesdienst beschäftigt sind als Männer. Um das zu ändern, braucht es nicht nur die notwendigen gesetzlichen Vorgaben, sondern auch den gesellschaftlichen Willen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer gleichermaßen zu verbessern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das müssen wir gemeinsam ändern.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich aber bei aller berechtigten Kritik auch einige positive Entwicklungen benennen. Der Anteil der vollzeitbeschäftigten Frauen ist mit 46,4 % in der Landesverwaltung und mit 43,7 % in Gemeinden und Gemeindeverbänden so hoch wie nie zuvor. Der Frauenanteil bei den Beschäftigten hat sich dank vieler Maßnahmen vonseiten der Landesregierung beständig erhöht, und das ist zunächst positiv zu bewerten. Doch entspricht der Anteil der Frauen in Führungspositionen noch nicht dem Geschlechterverhältnis. Es besteht also weiterhin Handlungsbedarf. Genau deshalb ist es wichtig, dass wir uns auch zukünftig mit dem Thema „Chancengleichheit der Geschlechter im öffentlichen Dienst“ intensiv beschäftigen. Genau das ist mit dem uns vorliegenden Bericht möglich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An dieser Stelle möchte ich auch einen Dank an Staatsminister Klose und seine Mitarbeitenden im Sozialministerium aussprechen, die diesen umfangreichen Bericht erstellt haben, der die Grundlage für die heutige Debatte ist. 2016 wurde das Hessische Gleichberechtigungsgesetz novelliert.
Ausgangspunkt war der Befund, dass Frauen in Führungspositionen vielfach unterrepräsentiert sind. Daraus wurde folgerichtig abgeleitet, dass erstens ein Fokus auf Frauenförderung bei Personalstellen mit Vorgesetzten und Führungsaufgaben gelegt wird, dass zweitens Teilzeit auch bei Stellen mit Leitungsfunktionen möglich sein muss und dass drittens Teilzeitbeschäftigte die gleichen Aufstiegsmöglichkeiten haben müssen und gleichwertige Fortbildungsmaßnahmen angeboten bekommen. Wir brauchen passgenaue Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Pandemie hat uns gezeigt, dass digitale Arbeitsformen wie Homeoffice dazu beitragen können, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mehr Flexibilität zu ermöglichen. Dieses Modell kann aber nur erfolgreich sein, wenn die Grenze zwischen Arbeitszeit und Freizeit gewahrt bleibt. Homeoffice ist also Chance und Gefahr zugleich. Seit der Novellierung 2016 gibt es die Verpflichtung, Maßnahmen zur gesellschaftlichen Personalentwicklung zu ergreifen, und dies mit – man muss es sagen – teilweise guten Erfolgen. Wir haben einen Anstieg beim Anteil der Richterinnen auf 51,8 % und der Staatsanwältinnen auf 51,4 % zu verzeichnen. Im gehobenen Dienst hat sich ebenfalls ein Anstieg vollzogen, auch in den höheren Besoldungsgruppen: bei A 13 auf 58,6 % und bei A 12 auf 64,2 %. Der Anteil der Professorinnen – das wurde eben gesagt – liegt noch deutlich unter dem, was wir uns wünschen. Aber auch hier muss man schauen, dass im Berichtszeitraum zwischen 2012 und 2019 der Anteil immerhin um 5 % gestiegen ist. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg, aber da ist auch noch Luft nach oben, wie man sieht. Teilzeitbeschäftigung bleibt – das wurde hier schon mehrfach erwähnt – weiterhin auch in den höheren Besoldungs- und Entgeltgruppen die Domäne der Frauen; und ab irgendeiner bestimmten Führungsebene scheint es so zu sein, dass die vollbeschäftigte Einzelperson noch immer als alternativlos angesehen wird. Ich glaube, hier muss man wirklich noch einmal ansetzen. Hier muss sich noch einiges ändern.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Nadine Gersberg (SPD))

Geschlechtergerechte Personalentwicklung und Chancengleichheit in der öffentlichen Verwaltung können nur dann gelingen – so hat es auch die Mehrheit der ausgewerteten Rückmeldungen bestätigt –, wenn die Maßnahmen von den Dienststellenleiterinnen und -leitern mit initiiert und unterstützt werden. Wie immer an dieser Stelle bedarf es auch einer Bewusstseinsbildung; denn die Widerstände, eine geschlechtergerechte Personalentwicklung umzusetzen, können sehr vielfältig sein. Wer kennt es nicht, begegnen uns doch manchmal die Annahmen, dass sich möglicherweise nicht ausreichend Frauen für Führungspositionen zur Verfügung gestellt haben oder sich durch bessere Ausbildung der Frauen das Problem von alleine regeln wird, oder sich dieses Problem alleine durch die Verbesserung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf erledigen wird. Aber das glaube ich nicht.

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Frau Brünnel, kommen Sie bitte zum Schluss.

Sofort. – Je höher das Amt, die Position, die Besoldung, desto weniger Frauen. Das ist eine alte Gleichung. Dieser Bericht zeigt, dass es noch viel zu tun gibt. Geschlechtergerechte Personalentwicklung noch besser voranzubringen, wird auch in den nächsten Jahren unsere gemeinsame Aufgabe sein. Daran müssen wir alle gemeinsam noch hart arbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)