12. Mai 2022

Rede zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: Pflege geht uns alle an – gute Pflege für Pflegebedürftige, Angehörige und Beschäftigte

Silvia Brünnel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Gute Pflege für Pflegebedürftige, gute Bedingungen für Beschäftigte und Entlastung für pflegende Angehörige: Dieser Aufgabe nimmt sich die Hessische Landesregierung, soweit es in ihrer Zuständigkeit ist, seit Jahren verantwortungsvoll an.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, im Bereich der Pflege gibt es auch nichts schönzureden. Es ist eine der Mammutaufgaben, vor der sowohl der Bund als auch die Länder und die Kommunen stehen. Wir haben deutschlandweit
einen Fachkräftemangel, auch in der Alten- und in der Krankenpflege. Es ist eines der zentralen Themen, dessen sich die Bundesregierung und die Landesregierungen in den kommenden Jahren annehmen müssen. Angesichts des demografischen Wandels und der demografischen Entwicklung muss es uns gelingen, mehr Menschen für den Beruf der Pflege zu gewinnen. Dabei wird es um weit mehr als nur die Frage der Bezahlung gehen. Es geht um die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um bessere Arbeitsbedingungen und mehr Flexibilität. Ja, wir brauchen eine passgenaue Pflege in Hessen, und deswegen ist es sicherlich ganz interessant, auch einmal den Blick auf ein paar Details zu richten. Sie haben in Ihrem Antrag als Erstes den Bereich der Prävention erwähnt, Frau Böhm. Hessen hat im vergangenen Jahr als erstes Bundesland die Landesrahmenvereinbarung Prävention unterzeichnet. Kern der novellierten LRV ist die Intensivierung der Zusammenarbeit der Akteurinnen und Akteure im Bereich der Prävention und der Gesundheitsförderung. Dabei soll ein besonderer Fokus auf vulnerable Personengruppen und ältere Menschen gelegt werden. Hessen kann auf die Erkenntnisse des Demenzatlas zurückgreifen. Er kann dabei helfen, wo welche Anlaufstellen in der näheren Umgebung zu finden sind, wo es Informations-
und Unterstützungsangebote gibt und wo sich Betroffene vor Ort austauschen können.

Hessen hat ein neues Geriatriekonzept beschlossen, mit dem die Altersmedizin in Hessen entscheidend vorangebracht werden kann. Aus unserer Sicht braucht es genau diese Vernetzung von Akteurinnen und Akteuren, um einen regionalen Versorgungsverbund zu etablieren. Die Hausärzte, die ambulanten Pflegedienste, die Kurzzeit- und Langzeiteinrichtungen, die Tagespflege – sie alle müssen gemeinsam mit den geriatrischen Fachkrankenhäusern vernetzt sein. Auf diesen Weg hat sich Hessen bereits gemacht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Hessen hat seit 2019 die landesweite Fach- und Vernetzungsstelle Senioren- und Generationenhilfe bei der HAGE angesiedelt und fördert darüber den Ausbau von Nachbarschaftshilfen und Seniorengenossenschaften. Selbstständigkeit so lange wie möglich zu erhalten – darum geht es natürlich auch bei dem Programm „Gemeindepfleger*innen“. Hier kommt die Pflege passgenau da an, wo wir denken, wo sie auch landen soll, und zwar in der häuslichen Pflege. Denn hier werden die Menschen
zu Hause unterstützt und auch die Angehörigen in der gesundheitlichen, in der pflegerischen und in der sozialen Versorgung.
Zudem wurde die Novellierung der Pflegeunterstützungsverordnung vorgezogen. Damit wurden die Anerkennungsvoraussetzungen für Anbieter reduziert und die Verfahren zur Anerkennung entbürokratisiert. Die Anerkennung
des Entlastungsbeitrags für die ehrenamtlichen Nachbarschaftshelferinnen und -helfer – das hat Sie bestimmt auch erreicht – wurde während Corona noch einmal verlängert.

(Zuruf Dr. Daniela Sommer (SPD))

Es sollte sich eigentlich im Juni ändern; jetzt geht das bis September. Auch da haben wir sehr positive Rückmeldungen
bekommen. Noch ein Wort zum Ausbau der Pflegestützpunkte. Sie wissen sicherlich, wie diese finanziert werden. Sie sind in
der Verantwortung der Landkreise, der kreisfreien Städte sowie der Pflege- und Krankenkassen. Die sollten dann als Akteure mit ins Boot genommen werden. Aber wenn wir schon darüber sprechen: Hessen hat noch einmal drei Modellprojekte an den Start gebracht, um auch hier mit einem individuellen Case Management zu schauen, wie man das verbessern kann. Wir haben das im Rheingau-Taunus, in Main-Kinzig und in Schwalm-Eder. Auch da stehen Mittel bereit, um zusätzlich Personal dafür zu verwenden, um Informationen weitergeben zu können. Hessen hat nicht zuletzt einen Pflege-Entlastungsfonds auf den Weg gebracht, damit die häusliche Pflege und die Entlastung pflegender Angehöriger effektiv gefördert werden können. 600.000 € stehen in diesem Haushaltsjahr bereit, zunächst zur Ermittlung der Bedarfslage und der Angebotsstrukturen.

Liebe Frau Böhm, diese umfangreichen Maßnahmen sind tatsächlich vorhanden und können Ihnen auch nicht gänzlich
unbekannt sein. Deswegen ist es für mich immer schwierig nachzuvollziehen, warum – auch vonseiten der FDP – gerade eben auch wieder das Bild gestellt wurde, dass Hessen ein Stück weit nicht angemessen handele. Denn, ich denke, was auf der Landesebene zu tun ist, kann man machen. Aber Sie wissen, genau wie wir auch, dass ganz vieles in diesem Fall tatsächlich auf die Bundesebene gehört.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU – Zuruf Ulrike Alex (SPD))

Dann möchte ich einmal darauf eingehen, was alles auf der Bundesebene entschieden werden muss. Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen für die Kurzzeit- und die Tagespflege, für den städtischen und den ländlichen Raum. Das hängt maßgeblich von den Finanzierungstrukturen der Pflegeversicherung ab. Vielleicht darf ich auf eine Debatte von Anfang April im
Bund verweisen. Da hat Kordula Schulz-Asche zu dem Thema gesprochen, was sich in der Pflege alles verändern
muss. Sie hat auch davon gesprochen, dass es notwendig sein wird, eine Strukturreform an den Start zu bringen, dass wir mehr Prävention, mehr Unterstützung der pflegenden Angehörigen und den Ausbau der Kurz- und Tagespflege brauchen. Sie hat sich dazu bekannt, dass das auch ein Themenschwerpunkt der neuen Bundesregierung sein wird. Darüber bin ich wirklich sehr froh.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt CDU)

Was die Bezahlung anbelangt, so hat der Bund bereits reagiert. Er hat sich auf eine deutliche Verbesserung der Mindestlöhne in der Altenpflege verständigen können. Mit dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz ist eine Tarifbindung im SGB XI eingeführt worden, die ab September 2022 greifen soll. Hessen finanziert – das wurde hier auch schon angesprochen – die Schulgelder in der Altenpflegeausbildung und beteiligt sich an der Aktion Ausbildungsoffensive Pflege. Ich möchte auf verschiedene Programme hinweisen, die schon seit Langem in Hessen stattfinden und bei diesem Thema vielleicht gerade untergegangen sind: Das Programm „Sozialwirtschaft integriert“ ist ein sehr erfolgreiches Programm. Deswegen wird es auch 2022 fortgesetzt, nämlich mit 7,2 Millionen €. Das ermöglicht genau das, was hier eben angesprochen wurde, nämlich Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte eine Ausbildung als Erzieherin oder als Pflegekraft zu ermöglichen. Ich denke,
auch damit sind wir auf einem guten Weg hier in Hessen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt CDU)

Auch die Landesinitiative „Pflege in Hessen integriert“ zielt auf die Gewinnung von mehr Fachkräften ab. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass wir mehr Pflegerinnen und Pfleger brauchen. Wir alle wünschen sie uns wirklich sehnlichst herbei. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir die Bemühungen zusammenbringen und gemeinsam – Bund und Länder – schauen, wo wir da noch Verbesserungen schaffen und Geld ins System bringen können. Ein Beispiel dafür, wo Bund und Land zusammen agieren, ist im Bereich des Digitalpakts. 5,8 Millionen € stehen für die Digitalisierung der schulischen Ausbildung von 2020 bis 2024 zur Verfügung. Ich glaube, auch das ist ein klares Zeichen, wohin wir gehen möchten und wie wir den Bereich der Pflege in Deutschland, aber auch in Hessen weiter voranbringen wollen. Es ist jetzt schon vieles gesagt worden. Sie haben wirklich
sehr vieles in diesen Antrag hineingemischt, auch was die Krankenhaussituation angeht. Vielleicht auch dazu noch einmal ein Wort, und zwar, was die Krankenhausfinanzierung anbelangt. 2022 überschreiten wir die Marke von 300 Millionen €, während 2021 die Pauschalförderung um 120 Millionen € erhöht wurde. Hessen liegt damit nach wie vor an der Spitze der Bundesländer, was die Ausstattung unserer Krankenhäuser angeht. Ich kann hier wirklich mit Fug und Recht sagen: Wir haben die Gesundheitsversorgung auch in den wirklich schwierigen Zeiten von Corona aufrechterhalten. Ich denke, so schlecht steht das Land Hessen nicht da. Ich komme noch einmal zurück zur Debatte um die deutsche Krankenhauslandschaft und die Frage der Rekommunalisierung und Privatisierung von Krankenhäusern sowie die Forderung der Verstaatlichung. Vielleicht nur so viel
dazu: Im Blick sollten immer die Versorgungssicherheit und die Versorgungsqualität sein und nicht die Frage, welches der richtige Weg ist. Vielmehr sollten wir uns da fragen: Was wollen wir tatsächlich vor Ort gewährleistet haben, um Versorgungsqualität und Versorgungssicherheit zu garantieren? Gewundert hat mich, dass Sie in den Antrag auch noch
die Debatte um das UKGM mit hineinbringen wollten. Ich glaube, das würde sicherlich den Rahmen der Debatte sprengen.
Heute gibt es zeitgleich im Bund eine Debatte zur Pflegepersonalregelung 2.0. Ich kann dazu nur so viel sagen, dass
die Regierungskoalition im Bund dazu bereits Koalitionsvereinbarungen getroffen hat. Ja, natürlich sollen die Arbeitsbedingungen schnell und spürbar verbessert werden; auch das, was Sie zur 24-Stunden-Betreuung angesprochen
haben. Über die Bundesratsinitiative kann ich nur sagen: Ja, wir brauchen da eine rechtssichere Grundlage, um dann
wirklich auch diesen Bedürfnissen im Bereich der familiären Betreuung gerecht zu werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Dass wir angesichts der demografischen Entwicklung bei der Gewinnung von Pflegekräften, bei der Entlastung von Angehörigen und vor allen Dingen beim Ausbau von Kurz- und Tagespflege noch auf allen Ebenen nachsteuern müssen, ist, so denke ich, hier doch unumstritten. Schlussendlich wird vieles davon abhängig sein, wie wir die Berufe in der Pflege wertschätzen und wie wir sie gemeinsam gesellschaftlich honorieren. – Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)