7. Juli 2021

3. Lesung: Gesetz zur Teilhabe von Menschen mit Sinnesbehinderungen

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben hier die Möglichkeit, Hessen noch inklusiver zu gestalten, wenn wir heute in dritter Lesung das Gesetz zur Teilhabe von Menschen mit Sinnesbehinderungen beschließen, ein Gesetz, das neben dem Landesblindengeld nun auch den Nachteilsausgleich für gehörlose und taubblinde Menschen ermöglicht.
Dann schließen wir erneut eine Lücke auf dem Weg hin zu einem inklusiveren und noch gerechteren Hessen. 3.900 Menschen in Hessen werden zukünftig davon profitieren können; denn ihnen steht nun ein Gehörlosengeld in Höhe von 150 € monatlich zu. Taubblinden Menschen wird in Hessen künftig das Doppelte vom Landesblindengeld zur Verfügung gestellt: ca. 1.315 €.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, als die Landesregierung den Gesetzentwurf vorgestellt hat, habe ich, ehrlicherweise, mit positiven Reaktionen, auch aus den Reihen der Opposition, gerechnet. Ich wurde leider eines Besseren belehrt,

(Ulrike Alex (SPD): Das stimmt doch gar nicht!)

und das, obwohl das Land Hessen in der Höhe der gewährten Leistung mit an der Spitze der Bundesländer steht – sowohl beim Landesblindengeld als auch beim Taubblindengeld, als auch beim Gehörlosengeld.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Vielmehr mussten wir uns mindestens vonseiten der SPD und von Frau Alex Empathielosigkeit vorwerfen lassen,

(Ulrike Alex (SPD): Schön, dass Sie es noch einmal
sagen!)

und vonseiten der LINKEN, dass es wie immer zu wenig und für einen zu eingeschränkten Personenkreis sei. Das kennen wir schon. Vielleicht noch einmal zur Erklärung des Merkzeichens Gl: wann man einen Grad der Behinderung von 100 erhält. Das ist mitnichten so, wie Frau Alex behauptet hat. Diese Aussage war einfach falsch. Sie hat gesagt, dass man dazu noch Diabetes haben muss, um einen Grad der Behinderung von 100 zu bekommen.

(Ulrike Alex (SPD): Das war doch nur ein Beispiel!)

– Das war ein Beispiel, das sogar eben noch einmal von Herrn Pürsün aufgegriffen wurde. Unterstrichen: Man bekomme in Hessen ein Merkzeichen Gl und einen Grad der Behinderung von 100, wenn man auch noch Diabetes habe. Dann will ich es hier noch einmal erklären, damit es vielleicht für alle verständlich ist. Man bekommt den Grad der Behinderung von 100, wenn man bereits seit der Kindheit eine Taubheit hat oder unter an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit mit schweren Sprachstörungen leidet – und das bis zum siebten Lebensjahr erworben hat. Oder es kann auch einen GdB von 100 geben zwischen dem 8. und
dem 18. Lebensjahr, wenn schwere Sprachstörungen vorliegen, vorausgesetzt natürlich, dass Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beidseits vorliegt. Die meisten der sechs Bundesländer, außer Berlin, legen einen Grad der Behinderung von 100 zugrunde – das muss man auch dazusagen. Liebe Frau Alex, an den SPD-regierten Bundesländern konnten wir uns nicht orientieren; denn die haben überhaupt kein Gehörlosengeld.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Aber ich gebe die Hoffnung jetzt einmal nicht auf; vielleicht orientieren sie sich ja an dem hessischen Gesetz. Ich denke nämlich, dass wir hier ein gutes Gesetz auf den Weg gebracht haben. Wir haben ein Gesetz auf den Weg gebracht, das erneut zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen beiträgt. Es ist aus unserer Sicht ein wichtiger Schritt hin zu einer Gesellschaft, in der allen Menschen gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird. An dieser Stelle möchte ich mich nochmals bei den engagierten Interessenverbänden bedanken, mit denen wir nämlich sehr gut im Austausch sind; denn dank ihrer Expertise werden die Gesetzentwürfe schlussendlich zu dem, was sie jetzt sind. Ihr Engagement ist für uns von unschätzbarem Wert, das muss man wirklich sagen. Sie haben mit ihrem vorgebrachten Anliegen einen wichtigen Beitrag zum Gelingen des Gesetzes geleistet. Wir sind auf den stetigen Austausch mit den Betroffenen, mit Menschen aus der Praxis angewiesen und nehmen ihre Anregungen immer gerne in unsere Beratungen auf. So auch dieses Mal: Nach ausführlicher schriftlicher und mündlicher Anhörung haben wir vonseiten der Fraktione der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Änderungsantrag eingebracht, der sich zum einen mit der Dynamisierung befasst hat, also mit der Anpassung an die Rentenentwicklung – das war eine große Kritik –, um die Inflation auszugleichen.
Dann haben wir den Passus gestrichen, dass Leistungsberechtigte zwei Monate hier leben müssen, hier ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben müssen, bevor sie in eine Einrichtung können, und haben das aus Gründen der Gleichbehandlung natürlich auch beim Landesblindengeld aufgenommen. Wir ersparen den Menschen zudem den Gang zum Versorgungsamt, die jetzt das Merkzeichen Gl oder Bl eingetragen
haben. Das können sie später als TBl nachtragen lassen. Auch sie können jetzt direkt das Taubblindengeld erhalten.

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken: Frau Brünnel, kommen Sie bitte zum Schluss.

Silvia Brünnel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja. – Wir haben für die Umsetzung insgesamt 6 Millionen € vorgesehen. Ich sage jetzt 6 Millionen €; in den kommenden Jahren sind es 8 Millionen €. Die Dynamisierung kommt dann noch on top. Das geschieht in einer Zeit, die man durchaus als finanziell angespannt bezeichnen kann. Ich finde, das zeigt, wie wichtig die Umsetzung gerade dieses Teils unseres Koalitionsvertrags der Hessischen Landesregierung und dem Land Hessen ist. Wir schließen damit erneut eine Lücke, um Hessen inklusiver und barrierefreier
zu gestalten. Ich wünsche mir eine Zustimmung in der dritten Lesung. –
Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)