14. Dezember 2021

Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Drittes Gesetz zur Änderung des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Schwangerschaftskonfliktgesetz

Silvia Brünnel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frauen haben ein Recht auf ein plurales und wohnortnahes
Angebot an Beratungsstellen. Sie haben das Recht auf einen diskriminierungsfreien Zugang zu Beratungen. Sie haben das Recht auf seriöse Informationen, ohne Zeit für einen möglichen Abbruch zu verlieren. Sie haben das Recht auf Beratung, ohne von sogenannten – selbst ernannten, sage ich jetzt einmal – Lebensschützerinnen und Lebensschützern gedrängt zu werden. Genau darum kümmert sich die Hessische Landesregierung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Heute liegt uns das Hessische Ausführungsgesetz zum Schwangerschaftskonfliktgesetz in dritter Lesung vor. Da es bis zum 31. Dezember dieses Jahres befristet ist und weiterhin erforderlich bleibt, freue ich mich, wenn wir es heute nach langer Beratung verabschieden können. Ich möchte an dieser Stelle erneut die Gelegenheit nutzen, um mich bei den Akteuren vor Ort, bei den Beratungsstellen und bei den Ärztinnen und Ärzten zu bedanken, die gerade in den schwierigen Zeiten der Pandemie für die Frauen mit den Beratungsstellen und ihrer Beratung da waren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Die Pandemie hat aber auch gezeigt, dass wir uns den neuen Herausforderungen stellen müssen und dass wir auch dem Digitalisierungsprozess Rechnung tragen müssen. Der Landesfrauenrat Hessen hat uns die Frage nach der Weiterentwicklung
des Beratungsangebots in Richtung Blended Counseling gestellt und mit auf den Weg gegeben. Genau dieser Frage werden wir uns annehmen. Ja, es ist notwendig, die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen bei der Erweiterung des Angebots finanziell zu unterstützen, sei es für innovative Technologien, die Qualifizierung der Fachkräfte oder schlicht für eine bessere
Ausstattung. Dieser wichtigen Aufgabe wollen wir im kommenden Jahr nachkommen und entsprechende Mittel für die Digitalisierung bereitstellen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Frauen sollen nach unserer Vorstellung auch in Zukunft auf eine qualitativ hochwertige digitale Beratung zurückgreifen können. Lassen Sie mich ein paar entscheidende Punkte in aller gebotenen Kürze noch einmal benennen: Alle geförderten Beratungsstellen werden veröffentlicht. Genau das ist wichtig im Sinne der Transparenz und des Verbraucherschutzes. Denn jetzt ist klar, dass man sich abgrenzen kann von Anbietern wie Pro Femina, die vielleicht nicht die Beratung in dem Sinne machen, wie wir es als ergebnisoffen haben wollen. Die Entgeltgruppe E 9 wird auf E 9b erhöht. Der Erstattungsbetrag für die kommunale und ärztliche Beratungsstelle wird von 59,50 € auf 75 € erhöht. Die Förderung der freiwilligen Overheadkosten in Höhe von 100.000 € wird verstetigt. Genau das gibt Planungssicherheit für die freien Träger. Der Stichtag zum Beginn der neuen Auswahlperiode – das war eine der zentralen Forderungen der Träger – läuft jetzt im Gleichlauf mit der Antragsabgabe. Die Pauschale – Staatsminister Klose hat es letztes Mal schon gesagt – in Höhe von 84.000 € je Vollzeitberatungsstelle ist im Ländervergleich immer noch an der Spitze.

Sehr geehrte Damen und Herren, im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen
weiter zu stärken. Dies ist aus unserer Sicht auch dank der Anregungen der Verbände mit diesem Gesetzentwurf
durchaus gelungen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Vieles von dem, was in den Änderungsanträgen der SPD und der LINKEN gefordert wurde, ist nach unserer Auffassung nicht im HAGSchKG zu regeln; denn es betrifft in erster Linie das Schwangerschaftskonfliktgesetz und bedarf Neuregelungen auf Bundesebene. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das heißt nicht, dass wir das Problem mit der Versorgungssituation bei Schwangerschaftsabbrüchen nicht in den Blick nehmen werden. In der Frage der Versorgungssituation in Hessen bin ich komplett bei Frau Dr. Hänel. Sie hat in der Anhörung auch noch einmal genau auf die Ursachen hingewiesen. Sie hat ganz klar
auch von der rechtlichen Problematik gesprochen, nämlich das Weigerungsrecht der Ärztinnen und Ärzte nach § 12 SchKG. Sie hat auch von der gesellschaftlichen Stigmatisierung und der Tabuisierung gesprochen, die diesem Thema immer noch anhaftet. Außerdem hat sie auf die rechtliche Verunsicherung hingewiesen, die bislang durch § 219a geherrscht hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich werde es nicht verhehlen: Wir von den GRÜNEN freuen uns, dass § 219a der Vergangenheit angehört. Ich blicke hoffnungsvoll nach Berlin, wenn es zukünftig auch um die Frage der reproduktiven Selbstbestimmung und die gesellschaftliche Auseinandersetzung zum Thema Schwangerschaftsabbruch geht. Diese Fragen sind aber nicht im HAGSchKG zu regeln.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Herr Pürsün, natürlich freue ich mich auch, wenn Sie sich jetzt so vehement für die Streichung des § 219a einsetzen. Dieses Land kann nicht genug Feministen haben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir in Hessen werden kontinuierlich weiter daran arbeiten, die Niedrigschwelligkeit und die Erreichbarkeit der Beratungsstellen zu verbessern und damit unseren Bürgerinnen und Bürgern ein plurales – das in Richtung von Frau Gersberg; dazu gehört auch die Beratung durch Ärztinnen und Ärzte – und ein wohnortnahes Angebot zur Verfügung zu stellen. Das ist mit dem vorliegenden Gesetzentwurf aus meiner Sicht möglich. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung. –
Herzlichen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)