21. September 2022

1. Lesung: Gesetz zur Änderung des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Betreuungsrecht und zur Änderung weiterer Rechtsvorschriften

Silvia Brünnel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Verehrte Präsidentin, meine Damen und Herren!

Auch wenn Frau Alex gern in die Mittagspause möchte

(Ulrike Alex (SPD): Das habe ich nicht gesagt!)

– ich denke, alle anderen auch –, sage ich: Mit dem Gesetz sind wir auf jeden Fall nicht so sehr in Eile, dass wir es
nicht ausreichend beraten könnten. Heute liegt uns das Gesetz zur Änderung des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Betreuungsrecht vor. Ich möchte gleich zu Beginn meiner Rede die Möglichkeit nutzen, um mich zu bedanken. Ich möchte mich bedanken bei den vielen ehrenamtlichen rechtlichen Betreuerinnen und Betreuern, die diese wichtige Aufgabe übernehmen, bei den vielen Familienangehörigen und bei den Betreuungsvereinen für ihre so wichtige und bedeutsame Arbeit.
Mehr als 95.000 Hessinnen und Hessen werden derzeit durch eine rechtliche Betreuerin oder einen Betreuer unterstützt.
Die Gründe sind vielfältig – wir haben es schon gehört: Rechtliche Betreuung ist häufig aufgrund einer psychischen
Krankheit, einer Behinderung oder einfach nur aufgrund einer altersbedingten Beeinträchtigung notwendig.
Menschen sind auf Unterstützung in einigen Lebensbereichen angewiesen, in denen sie keine Entscheidungen mehr treffen können. Aber ganz wichtig ist – das haben wir vom Kollegen Schad schon gehört –: Die Selbstbestimmung
des Betreuten steht immer im Vordergrund. Das ist auch bei diesem Gesetzentwurf ganz besonders hervorzuheben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Menschen erhalten Unterstützung in Dingen, die sie nicht mehr allein regeln können. Wichtig ist das Gebot der größtmöglichen Selbstbestimmung. Dieses zentrale Anliegen stand auch bei der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts im Fokus. Die Umsetzung der UN-BRK sollte auch dort zugrunde liegen. Da das neue Betreuungsorganisationsgesetz – wir haben es schon gehört – am 1. Januar 2023 in Kraft tritt und das Betreuungsbehördengesetz ablöst, ist es nun notwendig, dass wir einige Änderungen in unserem Ausführungsgesetz vornehmen. Ich will sie ganz kurz umreißen: Das Hessische Ausführungsgesetz
zum Betreuungsrecht regelt die Zuständigkeiten der Behörden auf örtlicher und überörtlicher Ebene, es konkretisiert die Aufgaben der überörtlichen Betreuungsbehörden, es regelt auf Landesebene die Bedingungen zur Anerkennung von Betreuungsvereinen, es regelt die Zuständigkeiten für das Anerkennungsverfahren, und es regelt die Förderung der Betreuungsvereine. Wir haben auch schon von unserem Minister gehört, wie die finanzielle Förderung aussieht. Da haben wir auch gesehen, dass deutlich mehr Mittel hineingegeben werden, als vom Land Hessen bislang vorgesehen wurde. Das BtOG sieht als Instrument der erweiterten Unterstützung im Vorfeld ein Betreuungsverfahren vor. Es wurde mehrfach infrage gestellt, ob es Sinn macht, dies erst einmal im Modell zu erproben. Ich denke, es macht sehr viel Sinn, weil wir überhaupt noch nicht wissen, ob es durch diese erweiterte Unterstützung überhaupt zu einer Erweiterung der rechtlichen Betreuung kommt. Dazu fehlen bisher die Daten. Von daher finde ich es sehr sinnvoll – und einige, die vorher schon Stellungnahmen dazu abgegeben
haben, waren auch der Meinung, dass es Sinn macht –, das erst einmal im Modell zu erproben.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Die Erprobung ist bis 2026 befristet und bislang – wir haben es schon gehört – auf vier Modellregionen beschränkt. Danach können wir schauen, wie es auf die Landesebene auszuweiten ist. Wir haben schon einiges über den Förderanspruch gehört und auch, wie hoch er anwachsen soll. Die Erhöhung ist bis 2024 auf 3,2 Millionen € vorgesehen. Auch ich sage jetzt an dieser Stelle mit Blick auf die Uhr, dass ich mich auf die weitere Beratung freue und den Stellungnahmen, die dazu eingehen werden, sehr interessiert entgegensehe.
Ich möchte noch einmal aufgreifen, was vonseiten der FDP angesprochen wurde: Selbstbestimmung steht im Vordergrund.
Wir alle sind in der Lage oder sollten in der Lage sein – es ist auch gut, alle noch einmal daran zu erinnern –,
selbstständig Vorsorge zu treffen. Ich nutze an dieser Stelle noch einmal die Gelegenheit: Denken Sie alle rechtzeitig daran, solange Sie es noch können, Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen zu verfassen. Weisen Sie auch gerne Ihre Angehörigen darauf hin. Das alles sind Hilfestellungen für diejenigen, die dann vielleicht in die Situation kommen, für Sie eine Betreuung zu übernehmen, um Ihre Selbstbestimmung möglichst lang, auch wenn Sie es nicht mehr selbst machen,
aufrechtzuerhalten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)